Mittwoch, 25. Juli 2012

Emanzenpflanzen:
Mürbes Brennnessel-Gebäck


Die große Brennnessel ist ein bemerkenswert modernes Kraut: Mann und Frau leben in getrennten Wohnungen. Hat die Brennnesselfrau Lust auf Nachkommen, macht sie ihrem Nachbarn (ihren Nachbarn) schöne Augen und nutzt den virtuellen Raum zur – absolut beziehungsstressfreien - Fortpflanzung. Und dann ist sie Alleinerzieherin, bis die Kinder groß sind.
Na wenn das nicht in unsere heutige Zeit mit ihren aufgebrochenen Familienstrukturen und flexibel-kreativen Wohn- und Lebenskonzepten passt? Und trotzdem will die Brennnessel keiner haben, sie ist DAS Un-Kraut schlechthin. Dabei haben wir ihr eines der schönsten Geschenke des Spätsommers zu verdanken: die Brennnesselsamen.

Ganz nüchtern-botanisch-sachlich betrachtet: Die große Brennnessel ist zweihäusig, es gibt also männliche und weibliche Pflanzen. Beide bilden ab etwa Ende Juni winzige Blüten aus, die wie Perlenschnüre aus den Blattachsen hängen. Die weiblichen Blüten werden durch die männlichen Blüten per Windbestäubung befruchtet. Als Ergebnis entwickeln sie sich ab Juli zu kleinen grünen Nüsschen.


Diese Nüsschen reifen vor sich hin und können im August und September geerntet werden. Das geht ganz einfach: Ausgerüstet mit Handschuhen, einer Gartenschere und einer großen Schüssel ziehe ich los. Ich schneide die Brennnesseln ab, halte sie kopfüber über die Schüssel und streife mit den Händen die Samen ab. Dabei gehen natürlich auch Blätter und Stängel mit, was mich vorerst gar nicht stört. Zuhause wutzle ich meine Ernte kräftig zwischen den Händen durch, sodass möglichst alle Samen von den Stängeln fallen. Dann nur noch durchsieben und einige Tage auf Backpapier zum Trocknen auslegen, dabei öfters durchmischen.


Brennnesselsamen wurden angeblich früher dem Pferdefutter beigemischt, um die Tiere schnell und feurig zu machen. Auch über aphrodisierende Wirkungen wird berichtet, aber bitte, ich bleibe hier bei den kulinarischen Vorzügen.
Die Samen schmecken leicht nussig und knacken schön im Mund. Sie sind ein gesunder und lustiger Butterbrotbelag, können aber auch angeröstet und über Salate, Reis- und Nudelgerichte oder Suppen gestreut werden. Oder als Beigabe zu Kräutersalz, in Brot einbacken, mmh, was noch?

Mürbes Brennnessel-Gebäck


Ich habe mich vor einem Jahr dazu hinreißen lassen, einen Keksausstecher in der Form eines Brennnesselblattes zu kaufen - handgefertigt von der Kexfabrik in Wien, nach einer Vorlage, die ich zuvor per Mail geschickt hatte. Drei oder vier Tage später war das Ding schon in meinem Postkastl. Und jetzt freue ich mich jedes Mal wie ein Christkind, wenn ich damit backe..
Diese mürben Kekse passen gut zu einem Glas Wein oder Bier. Sie werden aus Topfenmürbteig gemacht und wenn es einen Teig gibt, den ich stundenlang kneten könnte, dann wäre es dieser: seidig und kühl, ein echter Handschmeichler. Ich habe Brennnesselsamen vom letzten Jahr verwendet und war überrascht, wie duftig und frisch sie noch waren.


Zutaten für etwa 2 – 3 Blech voll

250 g Butter
250 g Topfen
250 g Mehl
1 Ei zum Bestreichen
Brennnesselsamen und Salzflocken zum Bestreuen

1. Butter, Topfen und Mehl rasch zu einem glatten Teig verkneten und über Nacht im Kühlschrank rasten lassen.

2. Den Teig  auf einer bemehlten Arbeitsfläche 3 mm dick ausrollen und beliebige Formen ausstechen oder mit einem Teigrad Stangerl schneiden.

3. Auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech setzen, mit Ei bestreichen, ordentlich mit Brennnesselsamen und Salzflocken bestreuen.

4. Bei 180 °C etwa 15 – 20 Minuten backen.

13 Kommentare:

  1. Also auf das wäre ich echt noch nie gekommen. Und dabei hab ich massenweise Brennnessel im ehemaligen Hendlgarten. Gut gedüngt eben!
    Bin jetzt schon so gespannt auf die Brennnesselsamen, dass ich am liebsten gleich ernten würde. Aber dauert ja nach.
    Danke jedenfalls für die Idee. Spinat war bis jetzt das einzige, was mir zu den Brennnesseln eingefallen ist.

    Hihi Emanzpflanzen....

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  2. Von dir kann ich immer wieder viel Neues über Wildpflanzen lernen - noch dazu sehr amüsant erzählt. Dankeschön!

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  3. das hab ich noch nie gehört - muss ich mir mal genauer anschauen, in meiner Umgebung gibts da viel zu ernten ;-)

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  4. Die Idee mit den Keksausstechern ist ja auch toll! Muss ich mir mal genauer ansehen. Ja, und für die Kekse würde ich auch ins nördliche Oberösterreich fahren :-)

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  5. Mir gehts ähnlich, ich hab mir Brennessel auch noch nie so nahe angeschaut... Ich werde sammeln gehen und sie dann auch in einem Garteneck aussäen (was ich schon lange tun wollte) für mich und die Schmetterlinge! Wieder ein guter Tipp für Küche und Garten, lg, Friederike

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  6. Mit Brennnesseln kann man sooo viel machen, Kärntnerin! Aber stimmt, die Samen werden nur selten verwendet... Jetzt aber!

    Danke, Eline, für das schöne Kompliment, immer gern :-)

    Dann Augen auf, Küchenschabe, und viel Spaß beim Ernten!

    Gell, Himbeerschoko, ich freu mich jetzt noch voll über das Ding. Es ist noch den ganzen Spätsommer Zeit ;-)

    Stimmt Friederike, die Brennnesseln sind eine wahre Schmetterlingsweide. So funktionierts bestimmt!

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  7. brennnesselsamen wird nachgesagt, dass sie müde männer munter machen ;-)
    aber ich mag ihren fein-nussigen geschmack auch sehr (bekomme meine aber aus dem familiären kräuterfachhandel...)
    dein ausstecher sollte in serie gehen, entzückend!
    und die idee dieser brennnesselkekse sowieso. danke!

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  8. Super Rezepte, toll geschrieben - freu mich grad, dass ich deinen Blog entdeckt habe. Und werde mich sofort ans Ausprobieren machen! Da ich es heuer schon wieder versemmelt habe, endlich mal wieder Brennesselspinat zu kochen, werde ich mich jetzt auf die Samen stürzen. ;)

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  9. Ja stimmt Katha, wenns bei Pferden funktioniert... ;-) Habs allerdings noch nie (bewusst) ausprobiert :-)

    Dankeschön Melanie, schön, dass du da bist! Brennnesselspinat kannst du aber eh jetzt auch noch machen, die Brennnesseln kommen ja immer wieder frisch nach!

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  10. Oh, erst jetzt gesehen - danke für den Tipp! Ich dachte Brennesselspinat macht man nur im Frühling. Jetzt weiß ichs besser. :)

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  11. Super Idee! Im letzten Herbst habe ich die Samen gesammelt. Eigentlich wollte ich sie in den Salat dazu geben. Vergesse ich laufend. Deine Kekse sind die Idee für mich. Danke fürs Rezept
    LG von Ulla

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    1. Das freut mich, liebe Ulla! Schön, dass du hier mitliest :-)

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Über Kommentare freue ich mich immer. Herzlichen Dank dafür!
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