Woher kommt es
eigentlich, dieses komische Gefühl beim Einkaufen und Essen, diese
Unsicherheit, was uns gut tut und was nicht? Weshalb dieser Run auf immer neue,
scheinbar Wunder hervorbringende Zutaten und Ernährungsformen? Aus Stevia wird
Birkenzucker. Aus Vegan wird Rohvegan wird Freevegan wird Paläo wird …. was?
Warum fokussieren wir lieber auf Superfoods anstatt auf das kulinarische Ganze?
Ich habe mir
neulich ein aktuelles amerikanisches Kochbuch gekauft. Es ist in seiner Hauptbotschaft
keineswegs für Allergiker oder Menschen mit Intoleranzen gedacht. Trotzdem wird
darin bei jedem Rezept aufgelistet, was das fertige Gericht NICHT enthält: Nut-free, soy-free,
sugar-free, refined sugar-free, gluten-free, oil-free, grain-free steht da zu
lesen. Für mich hört sich das fast ein wenig nach Paranoia an. Haben wir
mittlerweile Angst vor dem, was wir essen?
Warum
unsere Zeit genau diese Ernährungstrends hervorbringt und nicht andere, ist
eine sehr komplexe Frage. Vermutlich findet jede Entwicklung ihren Anfang in
einer Art Unzufriedenheit mit dem Status quo, in dem Wunsch, etwas zu
verändern. Dann probieren wir aus, sind neugierig auf Unbekanntes, gehen auf
die Suche – es wohnt ja jedem Anfang ein Zauber inne, warum sollte es bei
unserer Ernährung anders sein? Manchmal erkennen wir dann, dass die alten
Zeiten doch gar nicht so übel waren, aus Trend wird Gegentrend und schwupps,
kommt alles irgendwann wieder.
Ich versuche daher, aktuellen Strömungen gelassen
zu begegnen. Meist sind sie kurzlebig, schnell überholt und vergessen. Was
nicht heißt, dass ich mich ihnen gegenüber komplett verschließe, im Gegenteil.
Ich picke mir mit Freude die sprichwörtlichen Rosinen heraus, lasse mich
inspirieren, integriere manches in meinen Ernährungsalltag, anderes amüsiert
mich oder ärgert mich gewaltig. Was die gegenwärtige Frei von-Kultur unserer
kulinarischen Landschaft anbelangt: Sie stört mich. Machen wir sie doch zur Voll von-Kultur. Vergessen wir das, was
nicht drin ist in unserem Essen und schauen wir stattdessen, was in ihm steckt:
Geschmack, Tradition, Heimat, Natur, Energie, Stimmung, Genuss. Was noch?
Waldhimbeer-Veilchen-Parfait
Skeptische Menschen werden
dieses Parfait nicht ausprobieren. Es enthält Himbeeren aus Wildsammlung
(Fuchsbandwurm?), Wildblumen (Hunde-Pipi?), weißen Zucker, rohe Eier, Schlagobers
und den fettesten Topfen, den es gibt. Obwohl: Es wäre ja frei von Nüssen,
Soja, Gluten, Öl und Getreide.
Gleichzeitig könnte man
aber auch sagen: Das Parfait ist voll von angenehmer, zuckriger Süße, frischen
Herta-, Berta- oder Cindy-Eiern, aromatischen und sonnenverwöhnten Himbeeren,
dem konservierten Duft des Frühlings, cremigem Wohlgeschmack, optischen
Highlights.
Oder?
Eben.
Zutaten
für 8 Portionen
250
g Waldhimbeeren (ersatzweise Gartenhimbeeren) – aus dem TK-Vorrat oder frisch
400
ml Schlagobers
5
sehr frische Eidotter
60
g Veilchensirup
1
EL Vanillezucker
80
g Zucker
150
g Speisetopfen mit 40 % Fett i. Tr.
Essbare
Blüten, Zitronenverbene und Himbeeren zum Garnieren
1.
Eine Kastenform von 30 cm Länge mit Frischhaltefolie auskleiden (ich habe mein
Parfait in eine Kartonschachtel, ausgelegt mit Butterpapier, gefüllt, was, im
Nachhinein betrachtet, doch eher suboptimal war – Kastenform und
Frischhaltefolie funktionieren sicher besser).
2.
Schlagobers steif schlagen und kühl stellen.
3.
In einer Metallschüssel die Dotter mit Veilchensirup, Vanillezucker und der
Hälfte des Zuckers verrühren. Dann über einem heißen Wasserbad mit einem
Schneebesen einige Minuten vorsichtig aufschlagen (die Masse darf nicht zu heiß
werden – Eierspeis-Gefahr!), bis die Mischung dick-cremig wird. Vom Wasserbad
nehmen, auf eine kalte Fläche stellen und unter Rühren abkühlen lassen.
4.
Topfen unterrühren, Schlagobers unterheben.
5.
Den restlichen Zucker mit 150 g Himbeeren (falls tiefgekühlte verwendet werden,
diese vorher auftauen) vermischen und mit einer Gabel zu einem Püree
zerkleinern.
6.
Die Hälfte der Eiermasse in die Form füllen, das Himbeerpüree und die
restlichen Himbeeren darauf verteilen. Dann die zweite Hälfte der Eiermasse
darüber geben.
7.
Mit einer Gabel mehrmals spiralförmig durch die gesamte Masse ziehen, damit
eine Marmormuster entsteht.
8.
Das Parfait für mehrere Stunden tiefkühlen, am besten über Nacht.
9.
Das Parfait etwa 15 Minuten vor dem Servieren aus dem Tiefkühlfach nehmen, die
Form kurz in heißes Wasser tauchen und auf eine Platte stürzen.
Folie abziehen und mit Blüten, Zitronenverbene und Himbeeren garnieren.
Nach einem Rezept aus dem
Living at Home-Magazin.
Mein Schwager, der in den USA lebt, hat einmal gesagt, er würde gern etwas erfinden, das man essen kann und Cholesterin senkt. Sonst müsste das Zeugs nicht können. Er würde Multimillionär werden in den USA. Eine sehr gruselige Vorstellung.
AntwortenLöschenSag, man kann Glockenblumen essen? Alle? Das hab ich nicht gewusst. Vor zwei Wochen habe ich im Radio gehört, man kann die Blüten von Stockrosen essen, was mir auch ganz neu war. Bin als wie eine Kuh und lern immer noch dazu.
Ich glaube, sie wird nie aufhören, die Suche nach dem einen Wunderding, das alle Probleme löst und Sorgen beseitigt ...
LöschenJa, Glockenblumen kann man essen. Soweit ich weiß, alle. Die Blüten der Stockrosen kenne ich nur zum Wolle-Färben (habe ich bei einem Kurs einmal ausprobiert), ans Essen dachte ich noch nie. Aber eh - die machen sich sicher bildhübsch!
Und: Dazulernen tun wir ja alle, immer wieder, das ganze Leben! (Sonst wärs ja fad ;-))
Danke! Du sprichst mir aus der Seele!
AntwortenLöschenViele Grüße
Astrid
Das freut mich :-)
Löschendanke für die offenen nicht im Trend liegenden Worte. ......
AntwortenLöschenIch hoffe, wie bei vielen anderen Trends wird auch diesen irgendwann das Zeitliche segnen. Vor gut 30 Jahren , damals haben wir in Wien gelebt, war die Makrobiothik sehr trendy und hat sich inzwischen doch wieder normalisiert.
Vielfalt ist wunderbar und macht uns reich. Das funktioniert aber nur ohne Ausschluss von anderen Nahrungsmitteln. Als ich letzthin eine Vegane Grillplatte bei Denns sah, musste ich schon schmunzeln.
Na klar mag es aus gesundheitlichen Gründen Einschränkungen geben und die wird auch jeder, der davon betroffen ist einhalten. Nur der Rest von uns sollt vielleicht auch einmal schaun was die Großeltern gegessen haben. Denn Wurzeln haben wir alle!
Liebe Grüße
Danke für deine Zeilen ... Wir werden uns sicher noch auf viele Neuigkeiten einstellen können, was unser Essen betrifft. Solange wir - wie du schreibst - unsere kulinarischen Wurzeln nicht ganz aus den Augen verlieren, ist das ja auch gut und bereichernd :-)
Löschenwas noch drin ist? vielleicht die Liebe, mit dem ein Gericht zB. ein Kuchen gebacken wurde...
AntwortenLöschenIch hab kürzlich gelesen (aber Kindergartenmütter werden das eh wissen), dass in Wiens Kindergärten verboten ist, selbstgebackene Kuchen mitzubringen (Geburtstag), sie könnten ja gesundheitsschädlich sein, ist das nicht paranoid?
lg
schönes Rezept!!
Die Liebe, genau, Danke!
LöschenDass es in Wien verboten ist, Kuchen mitzubringen, habe ich nicht gewusst. Und vor allem die Begründung ist ja haarsträubend. Das Minimädel kriegt auf jeden Fall Geburtstagskuchen mit und die Kuchenplatte kommt immer ratzeputz leergefegt zurück nach Haus ;-) Eine Freundin von mir, sie ist Kindergartenpädagogin, hat mir aber auch erzählt, dass in ihrem Kindergarten keine Kuchen mehr erwünscht sind - nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern weil manche Mütter, sorry, einfach nicht backen können ... Liebe Grüße!
Genau so sehe ich das auch! Und du bist im Trend... es geht wieder genau dort hin. Dieses übersteigerte Gesundheitsessen ist doch krank!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Alexia
Da gibt's ja sogar ein eigenes Krankheitsbild: Orthorexie, die Sucht, "richtig" und gesund zu essen ... Liebe Grüße!
LöschenGut gebrüllt... Mit all den Unsicherheiten, Ängsten, Verbrechen in der Tierhaltung, Umweltsünden der Industrie uswusf. werden es die Konzerne bald leicht haben, uns Menschen mit künstlichen, antiallergischen Produkten am Leben zu erhalten. Ich bin sogar so pessimistisch, dass ich glaube, dass wir es uns irgendwann mit unserem Biotop derart versaut haben (saurer Regen, Radioativität, Smog, Plastik...), dass aus und in der Natur leben, nur etwas für hartgesottene Freiheitsliebende wird. Aber NOCH sind wir nicht soweit und solange halte ich mich an Mutter Natur, die mich ernährt...
AntwortenLöschenMerci für deinen Gedankenanstoß!
Auch dir ein Dankeschön für deinen Input! Ganz so pessimistisch sehe ich es noch nicht - in der Hand haben es schließlich wir selbst ... :-)
LöschenDu sprichst mir aus der Seele...
AntwortenLöschenDas Parfait ist schon optisch ein Genuss ( und das ist mir wichtig, da ich ja nicht koche ).
Liebe Grüße
Astrid
Du kochst nicht? Vielleicht solltest du damit beginnen? Schließlich: Wer lesen kann, der kann auch kochen :-)
LöschenLiebe Grüße und schön, dass du trotzdem hier bist!
Also von wegen am Trend vorbei, ich muss sagen, dein Parfait schwimmt doch voll mit dem Strom. Also bis auf den Zucker, aber den kannst du je nach Strömung durch Agavendicksaft (brrrr) oder Honig ersetzen (lassen) und schon passt das Rezept wirklich in alle trendigen Frei-von Kategorien. Eier und gesättigte Fettsäuren werden auch gerade von allem freigesprochen, passt also auch!
AntwortenLöschenAlso ich muss sagen, liebe Kärntnerin, du bist gut informiert, was so Klassiker wie die Cholesterin-Hypothese anbelangt. Ich bin jetzt nur gespannt, ob dieser Freispruch tatsächlich kommt und vor allem: wann ... Liebe Grüße!
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