Seiten

Montag, 2. März 2015

Rezension:
Vegetarische Sommerküche


Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da saß ich an einem kleinen Tisch meinem Mann gegenüber. Wir waren im tian in Wien zu Gast, einem kulinarischen Hotspot der Stadt und place to be, wenn es um gehobene vegetarische Küche geht. Wir hatten einen fetten Gutschein in der Tasche und waren wild entschlossen, ohne Restguthaben nach Hause zu gehen. So wählten wir beide das Menü, er das Menü zu seiner Rechten, ich das Menü zu meiner Linken, lehnten uns entspannt zurück und warteten auf den ersten Gang.
Bei dessen Anblick wurde schnell klar: Die Foodfotos auf der Homepage des Restaurants sind nicht geschönt. Das Essen sieht genauso aus. Da sind echte Künstler am Werk. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie viele Arbeitsschritte es braucht, um solche Teller herzurichten. Tatsächlich hatte ich bei jedem Gang ein echtes Problem, den ersten Schritt zu tun, sprich: Den ersten Bissen zu nehmen und durch einen vergleichsweise banalen Akt diese Kunstwerke radikal zu vernichten.
Ich erinnere mich noch an den Suppenteller, den der Kellner vor mir einstellte. Die Suppeneinlage war bereits darin arrangiert, verführerisch und in leuchtenden Farben. Plötzlich kippte mir der gute Mann aus einer Saucière die Suppe darüber und ich musste den starken Impuls, ihn anzuschreien (sind Sie komplett waaaaahnsinnig geworden???), mit großer Kraft unterdrücken (es ist mir gelungen).
Unvergessen bleibt mir auch Maitre Antony, der mir als letzten Gang meines Menüs eine Auswahl aus seinem Käsewagen anbot. Als ich ihn fragte, ob er, da ich schwanger sei, auch Käse aus pasteurisierter Milch hätte, wurde er ein ganz kleines bisschen nervös. Kurzum: Es gab nur Rohmilchkäse und der Mann hatte ein echtes, ich glaube sogar persönliches Problem damit, meinem Wunsch nicht entsprechen zu können. Das hat mich amüsiert, ich gebe es zu, aber auch gefreut, weil ich das Gefühl hatte, hier an diesem Ort als Gast wertgeschätzt zu sein.

Fazit 1: Das Essen im tian schmeckte fantastisch und die wortreichen Erklärungen der Kellner sowie das Fertigstellen der Gerichte bei Tisch machten unseren Besuch sehr besonders.

Mit diesen Eindrücken im Hinterkopf war ich natürlich sehr gespannt auf das Buch Vegetarische Sommerküche von Paul Ivic, dem Küchenchef des tian. Das Angebot, es zu rezensieren, habe ich daher auch mit großer Freude angenommen. Gespannt war ich vor allem auf den Schwierigkeitsgrad der Rezepte, auf deren Alltagstauglichkeit und Umsetzbarkeit. Welche Richtung hatte der Autor in seinem Buch wohl eingeschlagen? Würde es viele Anlehnungen geben an die Spektakulärküche des tian?

Nach dem ersten Durchblättern war ich sehr positiv gestimmt – keine anspruchsvollen Kunstwerke, die ich vermutlich nicht hinkriegen würde, sondern solide und einfache, gleichzeitig wunderschöne, frische und ansprechende Gerichte. Ja, ich kann mir vorstellen, dass Paul Ivic privat wirklich so kocht. Und ich hatte gleich das Gefühl: Auch ich kann Ivic kochen.

Zunächst einmal: Das Buch ist wunderbar aufgemacht. Alleine das Bild auf der Rückseite, vertrocknete Doldenblütler vor türkisem Himmel, holten mir gleich den (Spät-)Sommer ins Zimmer und ich hörte fast die Grillen zirpen. Die Gerichte haben sich für die Fotos absolut fein gemacht. Schön finde ich auch die Stimmungsbilder, die zusammen mit kurzen Texten von Paul Ivic zwischendurch eingestreut sind.

Das Buch ist in folgende Kapitel unterteilt:

  • Kleine Köstlichkeiten & Salate
  • Picknick
  • Grillen
  • Feste im Freien
  • Süßer Sommer

Im Anhang finden sich einige Grundrezepte und ein alphabetisch geordnetes Rezeptregister. Jedes Rezept ist mit Angaben zur Personenzahl, Tipps und Variationsmöglichkeiten sowie einer Info versehen, falls es vegan ist. Die Rezepte selbst sind einfach, aber kreativ, manches kennt man (Gazpacho, Bruschetta), manches war für mich völlig neu (Canihua-Schokopudding, Heu-Eistee). Überraschend fand ich, dass Paul Ivic durchaus auch Zutaten wie Vanillepuddingpulver oder fertigen Blätterteig verwendet.

Nachgekocht


Aus Vegetarische Sommerküche habe ich überraschend viel nachgekocht, obwohl noch nicht mal Sommer ist. Der Grund: Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, die meisten Rezeptvorschläge gefallen mir.


Canihua-Schoko-Pudding: Natürlich musste ich der für mich neuen Zutat Canihua (der Name ist gewöhnungsbedürftig) auf den Zahn fühlen: Ein Pseudogetreide aus Südamerika, das schokoladig schmecken und noch dazu sehr gesund sein soll. Ich bestellte mir Canihua im Internet und kochte den Pudding nach. Mich erinnern die Samen mehr an Mohn als an Schokolade, trotzdem fand ich den Pudding sehr gut, wenn auch viel zu süß für meinen Geschmack. Manko: Da ich nur Canihua im Ganzen bekommen und die Samen selbst gemahlen hatte (das Rezept verlangt Canihua-Mehl), kam bei mir eher ein Grießpudding heraus. Aber dafür kann ja das Rezept nichts.

Mango-Tarte: 5 Mangos für eine Tarte mit 20 cm Durchmesser? Hm. Wie klein können Flugmangos sein? Ich habe für das Rezept zwei normal große Mangos verwendet, was für sich schon recht viel war. Beim Kochen der Früchte entsteht übrigens ein wunderbares Mango-Butterkaramell, ich wollte mich schon fast reinlegen.


Blaubeeren-Flohsamenschalen-Pudding: Superschnell gemacht – einfach alle Zutaten in den Mixer. Der Pudding dickt im Kühlschrank wie von Zauberhand durch die Flohsamenschalen ein. Grandios!

Buchweizen-Gnocchi mit pikanter Kokos-Curry-Sauce: Die Gnocchi habe ich genau nach Rezept gekocht – und sie gelangen phantastisch, auch die Konsistenz war perfekt. Die Sauce habe ich der Saison entsprechend abgewandelt, die Zutat Curry allerdings suchte ich im Rezept vergeblich. Oder handelt es sich hier um einen Verständnisfehler meinerseits?

Avocado-Dip: Avocado und Passionsfrucht, ein tolles Duo. Wenn nur die Maracujasamen nicht wären, die stören mich immer wieder, leider.




To Cook-Liste


Bei diesem Buch ist es schwer, eine To Cook-Liste zu erstellen, weil ich so vieles nachkochen möchte. Meine Top 12 wären vermutlich:

  • Quinoasalat mit Erdbeeren & Ziegenfrischkäse
  • Rucola-Crush
  • Avocado-French-Toast mit Tomatenchutney
  • Midwestern Oatmeal Cake
  • Heu-Eistee „Silent“
  • Tandoori-Blumenkohlsteaks
  • Ciabatta mit gegrillten Auberginen
  • Zucchini-Kartoffel-Taschen mit kalter Schnittlauchsauce
  • Pikante Kokospraline mit Shiitake-Pilzen & Pak Choi
  • Veganes Karamelleis
  • Apfelkaltschale
  • Olivenölkuchen

Fazit 2: Wunderschöne Aufmachung, ein attraktiver Koch (jaja, schon gut, das ist zwar nicht wichtig, aber auffallen tut es mir schon…), sympathische, kreative und nachkochbare Rezepte – so trifft es genau meinen (Koch-)Geschmack. Hier und da fehlt mir ein wenig die Akribie, die ich von Paul Ivic angesichts der Art und Weise, wie er seinen Beruf ausübt, erwartet hatte – das Rezept für die Crème brulée von der Passionsfrucht beispielsweise endet nach dem Garen der Creme im Wasserbad. Vom Überzuckern und Karamellisieren ist leider nicht mehr die Rede – weder bei den Zutaten, noch bei der Rezeptanweisung. Zudem sind einige der Zutaten (Kaffirlimettenblätter, Bananenblätter, weiße Polenta, Umeboshi, Blutampfer, …) vielleicht nicht ganz einfach zu bekommen – zumindest da, wo ich lebe. Trotzdem: Aus meiner Sicht ist Vegetarische Sommerküche eine echte Empfehlung.

Vegetarische Sommerküche – Grillen, Picknick & Feste im Freien
von Paul Ivic
Gebundene Ausgabe, 176 Seiten
Brandstätter Verlag, 1. Auflage 2015
ISBN: 978-3850338530
Preis: € 25,00

P.S.: Dem Buch liegt ein Gutschein für einen Aperitif des Hauses im tian bei. Ich bin wild entschlossen, ihn bald einzulösen J.

Dank an den Christian Brandstätter Verlag, der mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.

12 Kommentare:

  1. Jetzt weiß ich gar nicht, von wem oder was ich mich besonders verführt fühle: Monsieur Ivic, seinem Buch oder dir ;)

    AntwortenLöschen
  2. Klingt alles sehr verlockend. Da Wien einen Ticken zu weit weg ist, wird es statt eines Restaurantbesuches wohl eher das Buch geben. Verrätst du uns bis dahin das Rezept für den Heu-Eistee?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Na sicher :-)

      Für 1 Glas Heu-Eistee "Silent" - Rezept von Paul Ivic:
      1 Handvoll Bio-Heu, 1 TL Bio-Heublumen, 3 cl Robiniensirup, 1 Spritzer frisch gepresster Zitronensaft, 0,2 l kalter Kräutertee nach Wunsch, 1 TL Akazienhonig, 1 Spritzer Mineralwasser mit Kohlensäure.

      Heu mit den fein gesiebten Heublumen in einen Shaker geben. Robiniensirup, Zitronensaft, Kräutertee und Honig dazugeben und shake. Kappe des Shakers abnehmen, mit Mineralwasser verfeinern.
      Durch ein Sieb ins Glas abseihen, mit Eiswürfeln servieren.

      Klingt doch sehr spannend, oder? Vor allem das "Silent" :-)
      Heublumen gibt's übrigens in der Apotheke!

      Liebe Grüße vom Mädel

      Löschen
    2. Dankeschön! Ja, das klingt wirklich spannend. Die Heublumen dürften nicht das Problem sein, aber der Robiniensirup wird ersetzt werden müssen. Keine Robinien weit und breit. Mmmmmhhh..... Vielleicht stattdessen Fichtenspitzensirup? Oder Löwenzahnsirup? Werde es ausprobieren, sobald ich gutes Bio-Heu gefunden habe.

      Löschen
    3. Gerne! Irgendwas Blumiges passt hier sicher gut. Robinien habe ich auch nicht im Garten ... Aber wie heißt es so schön? Die Königin der Kochrezepte ist die Phantasie :-)

      Löschen
  3. Also das mit dem attraktiven Koch stimmt ;-)
    Mein Favorit ist die Mango-Tarte. Der Avocado French Toast hört sich auch wunderbar an. Ich persönlich mag es gerne, wenn möglichst heimische Zutaten verwendet werden.
    Vielen Dank jedenfalls fur deine Rezension.
    Liebe Grüße, Renate

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Bitte, gern, Renate! Ich mags auch gerne regional, aber bei Avocados und Mangos sag ich nicht nein. Niemals! ;-) Liebe Grüße!

      Löschen
  4. Schöne Rezension zu einem offensichtlich interessanten Buch, in meinem nächsten, das ich rezensiere kommt auch ein Rezept von Paul Ivic vor,..:-)
    lg. Sina

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Dann freu ich mich schon drauf - und bin gespannt :-) Liebe Grüße vom Mädel!

      Löschen
  5. ich hab Flohsamenschalen erst einmal googeln müssen,
    Heu-Eistee mit Robiniensirup (den hab ich sogar noch vom letzten Jahr),
    lauter tolle Sachen in dem Buch!
    vielleicht zuerst einmal ins Tian pilgern, dann überlegen das Buch zu kaufen...
    lg

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Mir ging es mit Canihua so ;-)
      Flohsamenschalen kenne ich aus der Hildegard-Küche, da werden sie auch verwendet!
      Dass du Robiniensirup hast, ist ja genial ... vielleicht postest du ja dein Ergebnis?
      Das tian ist auf jeden Fall eine (Pilger-)Reise wert, wir wollen auch so gerne wieder mal hin ... Momentan ist es halt mit dem Kleinen noch nicht möglich, aber die Zeit vergeht eh so schnell :-)
      Liebe Grüße!

      Löschen

Über Kommentare freue ich mich immer. Herzlichen Dank dafür!
Hinweis: Mit dem Abschicken deines Kommentars erklärst du dich damit einverstanden, dass der von dir geschriebene Kommentar sowie personenbezogene Daten, die damit verbunden sind (beispielsweise Username, Mailadresse, IP-Adresse), an Google-Server übermittelt werden.
Mehr Informationen dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.