Vegane Ernährung
als Weltenretter – eine These, so oft aufgestellt, so intensiv diskutiert, dass
sie mitunter zur Floskel verkommt. Wir alle lesen darüber und hören davon und
wie so oft, wenn ein Thema inflationär bemüht wird, wird der Diskurs irgendwann
mühsam und schal, vor allem, wenn die Argumente die gleichen bleiben. VEGAN – Warum vegane Ernährung uns und die
Welt heilt von Alexandra Kuchenbaur ist ein Buch, das es trotzdem geschafft
hat, mich zu bewegen.
Essen ist ein
unglaublich intimer Vorgang, vielleicht die schutzloseste Art, wie wir Dinge
von außen ganz tief in uns hineinlassen und diese durch Abbau- und nachfolgende
Aufbauprozesse zu einem Teil von uns selbst machen. Wir sollten also wohl
wählen, womit wir so innig in Kontakt treten.
Alexandra
Kuchenbaur positioniert sich ziemlich weit entfernt von Moralapostelei und
klagenden Zwischentönen. Ihr Buch ist viel mehr ein Appell, auf unseren Bauch
zu hören – und vor allem auf unser Herz. Mit ihrem Buch hat sie ein Grundlagenwerk zur veganen, vollwertigen
Ernährung vorgelegt, das aus meiner Sicht sehr gut recherchiert ist und
viele nachvollziehbare Argumente liefert, warum es sinnvoll ist, vegan zu
leben. Dabei beschränkt sie sich – und das unterscheidet das Werk ganz
wohltuend von so vielen anderen seiner Art – nicht nur auf ethische und
gesundheitliche Aspekte oder auf die Frage, welche Ernährungsform für uns
Menschen denn nun die einzig wahre, weil artgerechte und natürliche ist:
Eine hochwertige vegane
Ernährung ist ein glückbringendes Instrument der Fürsorge mit uns selbst und
unserer Umwelt. Sie nährt nicht nur unseren Körper und unsere Gesundheit,
sondern auch unser Mitgefühl, unser Wohlbefinden und einen friedvollen Umgang
mit unseren Mitgeschöpfen.
Vegan aus Liebe – das
spürt man in jeder Zeile. Superschöne und passende Zitate sowie eindrucksvolle
Tierporträts unterstreichen diese Haltung auf wunderbare Art und Weise.
Alexandra
Kuchenbaur hat in vielem Recht. Mensch, Tier und Natur sind untrennbar
miteinander verbunden und sicherlich besteht kein Zweifel daran, dass unser
derzeit herrschendes, kapitalistisches Ernährungssystem alles andere als
optimal ist. So zählt sie sechs gute Gründe für eine pflanzliche Vollwertkost
auf: Die Abschaffung der Massentierhaltung, die Lösung des Welthungerproblems,
Klimaschutz, Schutz des Regenwalds, Umweltschutz (hinsichtlich Luft- und
Wasserverschmutzung, Feinstaub, Seuchen, schwindender Biodiversität), der
sparsamere Umgang mit den Wasserressourcen der Erde. Der Autorin ist es
außerdem wichtig zu vermitteln, dass es bei veganer Ernährung nicht um Verzicht
(auf viele geliebte Gerichte), sondern um Gewinn (vieler neuer
Geschmacksrichtungen und Kochmöglichkeiten) geht.
Alexandra
Kuchenbaur beleuchtet in ihrem Buch alle wichtigen Nahrungsmittelgruppen und
Nährstoffe ebenso wie Fragen zur Küchenpraxis oder zu alternativen
Süßungsmitteln. Sie begibt sich hinab in die Abgründe der industriellen
Fleisch- und Milchproduktion, nimmt zu veganen Ersatzprodukten Stellung und
erörtert auch die Frage, ob wir eigentlich auch Pflanzen eine Leidensfähigkeit
zuerkennen sollten. Ihr Ansatz: Weil wir es nicht wissen, ob Pflanzen leiden
können oder nicht, sollten wir zumindest achtsam und wertschätzend mit
pflanzlicher Nahrung umgehen und möglichst nichts verschwenden. Bravo!
Oft trifft
man sein Schicksal auf Wegen, die man eingeschlagen hatte, um ihm zu entgehen.
(Jean de La Fontaine)
Ein befreundeter
Bauer erzählte mir kürzlich, es sei mittlerweile gängige Praxis, das Grünfutter
der Milchkühe eiweißreich und raufaserarm zu halten (sprich in kürzeren
Abständen, dafür öfter zu mähen), damit sie mehr Milch geben – eine Form der
Fütterung, die die Verdauung der Kühe so stark beeinträchtige, dass sie oft
nach nur zwei oder drei Laktationsperioden am sprichwörtlichen Ende angelangt
wären. Wenn also Alexandra Kuchenbaur die Industrialisierung der Produktion
tierischer Produkte anprangert, die Ausrichtung auf nichts anderes als
maximalen Gewinn, dann kann kein vernünftig denkender Mensch widersprechen.
Oder?
Ich möchte
keine Diskussion darüber anstellen, ob der Mensch grundsätzlich ein
Fleischesser war oder nicht. Fakt ist aber: In der heutigen Zeit und in unserer
Welt haben wir die Wahl.
Etwas
kritischer sehe ich hingegen die von der Autorin postulierten Zusammenhänge
zwischen tierischer Nahrung, dem menschlichen Stoffwechsel und der Entstehung
einer Reihe von Zivilisationskrankheiten. Diese Zusammenhänge werden mit
Studienergebnissen untermauert und als unumstößlich dargestellt. Nur: Jede
menschliche Erkenntnis, alles Wissen ist vorläufig, das sagte schon Sir Karl
Popper. Es gilt nämlich nur so lange, bis es durch andere Ergebnisse widerlegt
wird. Mittlerweile lässt sich für jede These eine passende Studie finden – und
für deren Antithese gleich dazu.
Du warst, du
bist, du wirst, was du tust.
(Buddhistische Weisheit)
Fazit: Mit VEGAN – Warum vegane Ernährung uns und die Welt heilt ist Alexandra
Kuchenbaur tatsächlich ein Grundlagenwerk gelungen. Ich finde, Bücher wie
dieses sollten alle Menschen lesen – auch wenn sie keine Veganer sind oder
werden wollen. Mir persönlich hat das Buch wieder große Lust auf vollwertige
Ernährung gemacht, ich habe ihm viele nicht neue, aber dennoch wichtige und wertvolle
Impulse zu verdanken. Die Autorin begreift Ernährung im weitesten Sinne – und
sie verschweigt nicht, dass es sich auch vegan sehr ungesund leben lässt. Ihr
Buch steht für eine vollwertige, vegane Nahrung, die mit Herz und Verstand
ausgewählt und zubereitet wird. Das passt mir ziemlich gut in meinen eigenen
Ernährungskram. Trotzdem frage ich mich, ob ein veganes Leben wirklich der
einzig gangbare Weg ist, um die Welt zu heilen. Was ist mit Weideschwein &
Co, was mit Fleisch von Tieren aus persönlich bekannter und artgerechter Herkunft?
Diese wertvollen Alternativen werden mit keinem Wort erwähnt, so als gäbe es
sie nicht. Das finde ich schade, ist aber auch nachvollziehbar, weil es eben
nicht Thema des Buches ist.
Eine
vegane Ernährung für uns alle wäre ein großer Schritt, ein zu großer
vielleicht. Er ginge nämlich auch mit einem Verlust von tradiertem Wissen,
bäuerlichen Strukturen und handwerklichem Können einher. Ob das sein soll, sein
darf? Das sei dahin gestellt.
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.
(Mahatma Gandhi)
VEGAN – Warum vegane Ernährung uns und die Welt
heilt
von Alexandra
Kuchenbaur
Gebundene Ausgabe,
368 Seiten
TRIAS Verlag, 1.
Auflage 2015
ISBN:
978-3830482567
Preis: € 29,99
Herzlichen Dank an den TRIAS Verlag, der mir ein
Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
Passt außerdem
perfekt zum:
Nachtrag vom 26. Mai 2015: Aus urheberrechtlichen Gründen musste ich die schönen Tierporträts leider aus dem Post entfernen - noch ein Grund mehr, das Buch in echt durchzublättern :-)
Bravo, Maria! Wunderbar Position bezogen! Ich stehe hinter und neben dir. Ernährung zählt zu den wenigen existentiellen Säulen, die unsere Lebensgrundlage ausmachen (was existentiell ist und was lediglich ein Anspruch, darüber darf man ruhig mal tiefer gedanklich tauchen). Es geht meiner Meinung nach prinzipiell um Bewußtheit. Das sollte Achtsamkeit und Respekt nach sich ziehen. Vegane Ernährung als Religionsersatz ist nicht mein Ding, dennoch gibt es in dieser Bewegung SO viel, dem sich der gesunde Menschenverstand unmöglich entziehen kann. Daher versuche ich Schritt für Schritt das davon für unser Leben umzusetzen, was mir durch und durch vernünftig scheint. Missionieren funktioniert dabei nicht - dein Schlußwort hätte nicht besser gewählt sein können!
AntwortenLöschenIch danke dir, liebe Micha, auch für deinen Beitrag dazu. Bewusstheit - vermutlich hast du recht, dass es darum geht, dass es dort beginnen sollte. Beginnen muss!
LöschenVielen Dank für den wertvollen Beitrag!
AntwortenLöschenLG Verena
Sehr gern :-)
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