Mittwoch, 23. Dezember 2020

Magische Rauhnächte - eine kleine Anleitung für eine besondere Zeit


Wenn ich dieser Tage nachts alleine durch die Kälte marschiere, spüre ich, dass sich meine der Pandemie trotzende, warme Adventstimmung langsam verändert. Der Wind kommt mir rauer vor, die Luft frostiger, die Stille weniger besinnlich, dafür seltsam unheimlich. Es bahnt sich etwas an, etwas, das anders ist und immer schon anders war: Die Rauhnächte stehen bevor.

Die Rauhnächte, das sind die Tage und Nächte rund um den Jahreswechsel, eine Übergangszeit, in der das alte Jahr ausklingt und das neue beginnt. Entstanden sind die Rauhnächte vermutlich zu jener Zeit, in der der Mondkalender an Bedeutung verlor und die Menschen sich der Sonne zuwandten. Die Lücke im Kalender, die durch die Umstellung vom Mondjahr auf das Sonnenjahr entstand, wurde mit jenen 11 Tagen bzw. 12 Nächten als Zeit zwischen den Jahren geschlossen, die wir heute als Rauhnächte kennen: Vom Heiligen Abend bis zum Dreikönigstag sind es 12 Rauhnächte, die jeweils von Mitternacht bis Mitternacht gehen. Die erste Rauhnacht beginnt am 25. Dezember um 0 Uhr, die zwölfte Rauhnacht endet am 5. Januar um 24 Uhr.


Das Wort Rauh leitet sich von rauch ab, einem Begriff, mit dem ursprünglich behaart oder pelzig gemeint war. Man bezog sich damit auf das Fell der furchteinflößenden Perchten, jener Gestalten, die untrennbar mit den Rauhnächten verbunden waren und sind. Zugleich deutet rauch auf den uralten Brauch hin, mit Harzen und Kräutern zu räuchern, um das Böse zu vertreiben.
Seit jeher sind die Rauhnächte mit einer ganz besonderen Kraft aufgeladen. Der Volksglaube besagt: In dieser Zeit ist die Welt aus den Fugen und die Schleier zum Drüben sind dünner als sonst. Man kann versuchen, einen Blick in die Zukunft zu erhaschen, man darf hoffen, mit seinem Dank und seinen Wünschen erhört zu werden. Ungezählte Mythen und Legenden berichten von Geistern und Dämonen und wie man sie vertreibt, von offenen Toren zu anderen Welten, von Orakeln und Wundern, die möglich sind.

Als Kind wurde mir erzählt, in der Weihnachtsnacht höre man die Tiere sprechen und das Ausräuchern von Haus, Hof und Stall war ein immerwährendes Ritual: Mein Großvater ging voran mit dem Räucherwerk in der Hand und wir alle, Groß und Klein, im Gänsemarsch hinterdrein. Eines von uns Kindern durfte das kleine Gefäß mit Weihwasser tragen, in dem ein kleiner Fichtenzweig lag. Opa zog von Tür zu Tür, von Zimmer zu Zimmer, räucherte und segnete und wenn er im Haus fertig war, marschierten wir in den Hof und von dort in den Stall. Oft hatten wir ihn festlich mit Tannenreisig geschmückt und ich kann mich noch an das schöne Gefühl erinnern, meine Pferde beschützt zu wissen.

Unsere Vorfahren nutzten die Rauhnächte als Zeit des Innehaltens und des Rückzugs in die warme, gemütliche Stube, während es draußen stürmte und fror. Genau wie die Natur ruhte man sich aus und sammelte Kräfte für das neue Jahr. Die Rauhnächte werden deshalb auch Innernächte genannt. Und so, wie man früher die Gelegenheit nutzte, um weniger zu arbeiten und mehr zu spüren, so kann man dies auch heute tun. Die Rauhnächte sind eine Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen, bei Spaziergängen an der frischen Luft über das vergangene Jahr nachzudenken, Altes ziehen zu lassen, nach vorne zu schauen und sich zu orientieren.



Ich lege euch deshalb ein Rauhnächte-Tagebuch ans Herz. Es hat etwas so wunderbar Archaisches an sich. Denn früher wurden die 12 Rauhnächte besonders gerne zum Deuten und Orakeln verwendet. Sie standen dabei symbolisch für die Monate des kommenden Jahres – die erste Rauhnacht für den Jänner, die zweite für den Februar, ... Alles, auch das noch so Kleine und Unscheinbare, wurde beobachtet und hatte eine Bedeutung: Das Wetter, wie das Essen geschmeckt hat, ob gestritten wurde oder es friedlich zuging, ob es Probleme gab (welche?), wer zu Besuch kam, wer wovon träumte, welche Tiere den eigenen Weg kreuzten, wie sich der Himmel zeigte, wohin der Wind blies, wie die eigene Stimmung war. Die Tendenz der jeweiligen Rauhnacht würde sich im entsprechenden Monat des neuen Jahres fortsetzen, so war man überzeugt.

Doch auch, wenn ihr nicht unbedingt zu jenen Menschen zählt, die in die Zukunft blicken wollen: Ein Rauhnächte-Tagebuch zu führen, lohnt sich. Ihr geht achtsam durch die Zeit: Hinschauen, beobachten, lauschen – dem Innen und dem Außen. Und auch, wenn das Aufgeschriebene auf den ersten Blick nicht sehr viel Sinn ergibt – es könnte sein, dass er sich später ganz plötzlich von selbst erschließt … Wer weiß?

Zugegeben: Es ist gar nicht so leicht, sich auf diese Zeit einzulassen. Mir selbst fällt es schwer, sehr sogar. Im Trubel rund um Weihnachten, die Vorfreude der Kinder und die Vorbereitung auf die Feiertage habe ich es bisher nur selten geschafft, herunter zu fahren und ausreichend Ruhe zu finden, um mich den Rauhnächten zu widmen – und vermutlich wird’s auch in diesem Jahr schwierig, mit dem Virus im Genick. Aber das macht nichts, meine Rauhnächte warten auf mich und vermutlich müssen sie auch noch ein wenig Geduld haben mit mir. Bis dahin genieße ich einzelne Momente der Inspiration, innere Bilder, die mich anstupsen – und den Sog nach draußen in die Nacht und in die Kälte. Dann stelle ich mir die Wintergöttin Percht vor und ihre Wilde Jagd, mit der sie bei Eis und Wind übers Land zieht, um die Menschen zu prüfen und zu richten. Die Wilde Jagd, eine Horde stürmischer Gesellen, böse Geister und Dämonen, Tiergestalten aus der Wildnis, rätselhafte Kreaturen aus den Bergen und Sümpfen. Eine starke, ungezügelte Naturenergie, die verlorene Seelen durch die Dörfer scheucht und ihr Unwesen treibt. Ich stelle mir vor, wie sie über mich hinwegfegen, wie sie mich mahnend streifen und mir drohend zuflüstern, ich solle mich beeilen, nach Hause zu kommen. Regelmäßig läuft mir ein Schauer über den Rücken, wenn ich die Haustür hinter mir schließe. Und ich schließe sie schnell.

4 Kommentare:

  1. Liebe Maria,
    von den Rauhnächten hörte ich das erste Mal beim Yoga und damals schrieb ich die Eindrücke des Tages in mein Tagebuch, genau wie du es hier empfiehlst. Aber so genau wollte ich dann doch nicht wissen, wie das nächste Jahr verlaufen sollte. Auf jeden Fall ist es immer vorteilhaft, nach innen zu lauschen. Ich wünsche dir und deiner Familie noch ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in ein gesundes Jahr.
    Liebe Grüße
    Sigrid

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    1. Danke liebe Sigrid ... Ich freu mich immer, hier von dir zu lesen :-)

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  2. Auch heuer werde ich wie jedes Jahr zu den Rauhnächten wieder in mein Buch schreiben bzw. es mir vornehmen, nicht immer bleibe ich dann dran... Du hast diese besondere Zeit sehr schön beschrieben und ich wünsche dir, dass du sie auch findest.
    Schöne Feiertage für dich und deine Lieben, lg

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    1. Liebe Friederike, so schön, dass du immer wieder hierher findest und mich das auch wissen lässt ... Alles Liebe!

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Über Kommentare freue ich mich immer. Herzlichen Dank dafür!
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