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Donnerstag, 1. April 2021

Zum Nachdenken: Tiertransporte

Eine emotionslose, sachliche Diskussion, das ist es, was dieses Thema braucht!

Sorry Leute – ihr hättet mich bei Diskussion haben können. Aber ich bin schon vorher ausgestiegen, bei emotionslos. Über Tiertransporte kann ich nämlich nicht emotionslos diskutieren. Ganz im Gegenteil denke ich:

Genau das ist das Problem.

Ich habe diesen Beitrag lange vor mir her geschoben. Aber jetzt muss es sein. Jetzt, nachdem die Tiertransportschiffe Karim Allah und Elbeik mit insgesamt fast 2500 noch lebenden Rindern an Bord nach monatelanger Irrfahrt wieder in den Hafen von Cartagena, Spanien, zurückgekehrt sind. Zurück an ihren Ausgangspunkt, den sie bereits um die Weihnachtszeit verlassen haben.
Im Nahen Osten, wo die Tiere geschlachtet werden sollten, ließ man sie aufgrund des Verdachtes auf die Blauzungenkrankheit nicht von Bord. Sie schipperten von Hafen zu Hafen, doch keiner wollte sie. So viele Wochen lang, eingesperrt auf engstem Raum, in den eigenen Exkrementen stehend, ständiger Seegang, viel zu wenig Futter, viel zu wenig Wasser. Zweihundert von ihnen starben in dieser Zeit, sie wurden einfach ins Meer geworfen.
Schließlich wieder zurück in Europa, aber in einem derart schlechten Zustand, dass nichts mehr mit ihnen anzufangen war. Am Hafen wurde ein Schlachtzelt aufgebaut, jetzt sind alle tot. Man hat sie verhungern und verdursten lassen, man hat sie verrecken lassen an Bord riesiger Schiffe und die Vorstellung allein, wie erleichtert sie vielleicht waren, als sie endlich, endlich raus durften aus ihrem Gefängnis, nur um ihrem Tod entgegen zu stolpern, zerreißt mir das Herz.

Es ist bestimmt schon dreißig Jahre her, dass ich erstmals mit dem Thema Tiertransporte in Berührung kam. Die Bilder in den Nachrichten haben mich derart aufgewühlt, dass ich sie noch heute ganz konkret vor Augen habe. Geändert hat sich seitdem genau nichts, ganz im Gegenteil, es wurde alles nur noch schlimmer. I can’t believe, I still have to protest this fucking shit. Und die Dramen gehen weiter. Momentan stauen sich elf Frachter mit 130.000 Schafen an Bord den Suez-Kanal entlang. Vorgestern stand eine riesige Schweinemastanlage im deutschen Alt-Tellin in Flammen, zehntausende (!!!) Sauen und Ferkel konnten sich, eingesperrt in Kastenstände, nicht befreien und verbrannten elendiglich. Es ist alles so schlimm, so unbarmherzig, so beschämend.

Wann war eigentlich der Moment, in dem die Menschheit beschlossen hat, kein Mitgefühl mehr zu empfinden für Rinder, Schweine, Hühner, Schafe und all die anderen Tiere, die wir für unsere Bedürfnisse nutzen? Der Moment, in dem wir ihnen Schmerzempfinden, Leidensfähigkeit und das Recht auf Leben abgesprochen haben, einfach so? Der Moment, in dem wir den Respekt vor ihnen verloren haben und in dem wir entschieden haben, dass wir alles mit ihnen machen dürfen, dass es uns gleichgültig ist, ob sie Angst haben, Hunger oder Durst, ob sie verletzt sind oder ob es ihnen gut geht oder nicht?
Und wann war der Moment, in dem jene Menschen, die nicht aktiv in diesen Wahnsinn involviert sind, angefangen haben, wegzusehen?

Wegschauen ist so einfach. Einmal stand das Käferlein bei mir in der Küche, eine Packung mit Zuckerstreuseln in der Hand, und beim Versuch, es zu öffnen, verstreute er den gesamten Inhalt auf dem Küchenboden. Ich muss ziemlich böse geguckt haben, denn er ließ alles fallen, bedeckte die Augen mit seinen kleinen Händen und erstarrte zu Stein. Er dachte wohl: Was ich nicht sehen kann, existiert auch nicht.

Genauso machen wir das auch. Wir schauen weg, in der Annahme (oder auch Hoffnung), dass es all die furchtbaren Dinge, die wir Tieren antun, in Wahrheit gar nicht gibt. Aber es gibt sie. Sie sind da.

Die Fakten

Wie lange dürfen Tiere transportiert werden? Wieviel Platz steht ihnen dabei zur Verfügung? Welche Tiere werden transportiert, wohin und warum? Wie sieht die Theorie aus – und wie die Realität?

Zu all diesen Fragen gibt es gute Videos, Zusammenfassungen und Infocharts. In meiner Auswahl habe ich mich um Objektivität bemüht, obwohl ich das bei diesem Thema aus ganz offensichtlichen Gründen sehr schwierig finde. Zum Beispiel:

Rinder dürfen 29 Stunden am Stück transportiert werden. Dabei muss ihnen nach 14 Stunden eine Stunde Pause gewährt werden, die sie auf dem LKW verbringen. Dann darf es 14 Stunden lang weitergehen.
Einem mittelgroßen Rind mit etwa 300 kg Gewicht steht dabei ein Platz von 0,95 – 1,3 m² zur Verfügung.
Nach 29 Stunden Transportzeit müssen die Rinder abgeladen werden, es folgt eine Pause von 24 Stunden.
Dieser Zyklus darf sich beliebig oft wiederholen.
Österreichische sogenannte Zuchtrinder werden (hoch)trächtig in Zielländer wie Usbekistan (6.200 km, reine Fahrzeit etwa 180 Stunden), Aserbaidschan (4.400 km, reine Fahrzeit etwa 125 Stunden) oder die Türkei (3.800 km, reine Fahrzeit etwa 114 Stunden) transportiert.

Das ist sie, die ganz normale, EU-rechtskonforme Realität. Macht es nicht besser, oder?

Vier Pfoten: Hintergrundwissen
Vier Pfoten: Infografik Sammlung
Land schafft Leben: Hintergrundinfos zu Kälbertransporten
DOK1 zum Thema Tiertransporte
Ökosoziales Forum: In der Wintertagungs-Mediathek gibt es ein Video mit dem Titel Der Weg österreichischer Kälber. Nach einer einfachen Registrierung und Eingabe des Kennwortes findet ihr auf der letzten der 8 Seiten das Video.
Oekoreich: Interview mit Thomas Waitz, österreichischer EU-Abgeordneter

Einfache Lösungen?

NGOs fordern den Transport von Fleisch und Genmaterial anstelle von lebenden Tieren, das Verbot von Langstreckentransporten in Drittländer, ein generelles Transportverbot auf Schiffen, eine drastische Senkung der maximalen Transportdauer, ein Gebot zur Schlachtung von Tieren im nächstgelegenen geeigneten Schlachthof, vermehrte Kontrollen, strengere Sanktionen. Doch wie das alles erreichen? Das System ist so grundsätzlich falsch, dass es weh tut, aber eben auch so weltumspannend, dass es nur schwer zu ändern ist.

Bei allem Ausreden auf die Macht des Konsumenten gilt zunächst einmal: Die Politik ist am Ball. Sie muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit österreichische Tiere in Österreich bleiben und hier vermarktet werden können. Das kann nur sie – nicht allein die Bauern und nicht allein die Konsumenten.

* Die heimische Mast muss attraktiver werden und die Basis dafür ist eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von tierischen Produkten in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung. Diese Forderung ist bei vielen Akteuren alles andere als beliebt, aber notwendig.

* Förderung von Mehrnutzungsrassen.

* Aufbau regionaler Vermarktungsstrukturen.

* Fleisch transportieren, nicht Tiere. Das ist doch nicht so schwer.

Mittlerweile gibt es bereits einige Projekte, beispielsweise in Salzburg und Tirol. Der Tierwohlpakt des Bundes trägt vielleicht ein wenig zur Besserung bei. Zurück zum Ursprung, die nachhaltige Bio-Marke bei Hofer, hat die Initiative Bruderwohl ins Leben gerufen.
In Vorarlberg wird darüber diskutiert, ob es möglich ist, dass Molkereien nur noch mit jenen Betrieben Milchlieferverträge abschließen, die gänzlich auf Kälbertransporte verzichten. Im Gegenzug bauen die Molkereien eine eigene Vermarktungslinie für das Kalb- und Rindfleisch ihrer Bauern auf: 5-Punkte-Plan für Milch ohne Kälbertransporte.
Es passiert etwas, aber leider viel zu wenig – und viel zu langsam. Deshalb:

Was DU tun kannst

Ich sage jetzt nicht: Iss nie wieder Fleisch. Ich rate dir auch nicht, auf Käse zu verzichten. Stattdessen möchte ich dich ermutigen, wieder mehr auf Tuchfühlung zu gehen mit dem, was du isst. Get connected!

Stell dir Fragen

Frage dich: Woher kommt meine Milch? Woher kommt das Fleisch, das in meinem Kühlschrank liegt? Und die Eier? Wie haben die Tiere gelebt? Wie sind sie gestorben?

Komm ins Gespräch

Wenn du diese Fragen nicht beantworten kannst, dann mach dich auf die Suche nach Menschen, die deine Nahrungsmittel herstellen. Komm ins Gespräch mit ihnen, sammle Informationen. Wenn möglich: Schau dir die Tiere an, deren Produkte du isst.
Seit ich weiß, dass die Kälber jener Kühe, deren Milch meine Kinder über alles lieben, in einem Partnerbetrieb im selben Ort großgezogen werden und die Kühe selbst, wenn es dann soweit ist, zu einem Schlachthof keine 30 Minuten entfernt gebracht werden, bin ich beruhigt. Ich weiß, dass dieses Wissen Luxus ist. Und ich bin sehr dankbar dafür.

Stell anderen Fragen

Wende dich an die Lebensmittelproduzenten oder noch besser an den Handel (sie haben tatsächlich die Macht!). Frag nach der Herkunft, nach den Haltungsformen, nach den Hintergründen. Frag, ob beispielsweise Kälbertransporte mit ihren Produkten in Verbindung stehen. Sei lästig, trau dich!

Kaufe bevorzugt regional und wenn möglich auch bio

Das immer die bessere Wahl, denn gerade was Tierschutzstandards angeht, ist Österreich weiter als viele andere Länder. Unsere Landwirtschaft ist klein strukturiert und die Chance ist größer, dass Tiere mehr sind als bloß eine Nummer. Hier im Mühlviertel ist es normal, dass Rinder auf der Weide sind. Hennen sieht man immer öfter. Im Gegensatz dazu Schweine leider so gut wie nie.
Kaufe so oft wie möglich direkt beim Erzeuger ab Hof oder im Bauernladen. Das sorgt für Unabhängigkeit und bessere Preise, für Wissen, Vielfalt und ein wohltuendes Miteinander.

Iss nur dann Fleisch, wenn dir die Herkunft und Haltungsform bekannt ist

Außer Haus, ob in der Gastronomie, in der Kantine oder beim Imbiss, ist es oft schwierig, Informationen über die Herkunft des Fleisches zu bekommen. Der Anteil ausländischer Billigware ist – leider – groß. Dabei wäre Berechnungen zufolge der Preisunterschied für das fertige Gericht lächerlich klein.
Scheu dich nicht, nachzufragen! Nur so entsteht auch in der Gastronomie ein Bewusstsein dafür, dass es den Gästen wichtig ist.
Wenn du Fleisch kaufst, schau genau und frag im Zweifel nach. Der Fleischratgeber kann eine Hilfe sein.

Probiere pflanzliche Alternativen aus

Frag dich zunächst einmal: Ist die Menge an tierischen Produkten, die ich esse, vernünftig / verhältnismäßig / gesund / ökologisch und ethisch vertretbar? Nimm dir dafür die Empfehlungen der Österreichischen oder Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu Herzen. Seit vielen, vielen Jahren raten sie beispielsweise zu einem Fleischkonsum von maximal 3 Portionen pro Woche, zu insgesamt 600 g. Alleine dadurch würde sich der Fleischkonsum um sagenhafte 48 % verringern. Schau dir im aktuellen Fleischatlas an, was das für einen Impact hätte!
Und schau dir auch an, was es heutzutage an pflanzlichen Alternativen gibt! Viele davon sind mittlerweile echt einen Versuch wert (was vor 10 Jahren noch nicht so der Fall war, ähem …).

Erhebe deine Stimme

Informiere dich über Volksbegehren (aktuell kann in Österreich beispielsweise Stoppt Lebendtier-Transportqual oder das Lieferkettengesetz Volksbegehren unterzeichnet werden) und Petitionen (zum Beispiel Vier Pfoten, VGT). Unterzeichne, wenn du zustimmst und verschiebe es nicht auf später.

Nicht mehr wegsehen

Ich will nicht mehr wegsehen. Ich zwinge mich, hinzuschauen, auch wenn es weh tut. Auch, wenn das, was ich sehe, Finsternis und Traurigkeit hinterlässt. Ich schaue hin, weil ich weiß, dass es der erste, wesentlichste Schritt ist. Hinschauen.

Tiere sind keine Waren und keine Gegenstände ohne Wert und Gefühl. Sie kommen auf die Welt mit einem unstillbaren Durst nach Leben, sie empfinden Schmerz und Leid, aber auch Freude und Zuneigung. Sie haben Angst vor dem Tod und wollen nicht sterben. Zumindest dessen sollte sich jeder – ob Fleischesser oder nicht – bewusst sein.

Träume werden wahr. Sprich sie aus!

Glaubt ihr auch daran, dass Träume wahr werden können, wenn man sie nur ausspricht, klar und deutlich? Ich möchte es glauben. Ich möchte glauben, dass meine Stimme die Kraft hat, etwas zu verändern.

Ich träume von einer Welt voller Frieden, Respekt und Liebe. Ich träume davon, dass Mitgefühl über Profit steht, dass ein würdevolles Leben wichtiger ist als schnelles Geld. Ich träume von Gesprächen auf Augenhöhe, von politischen und persönlichen Entscheidungen VOLLER Emotionen, von mutigem Hinschauen-Wollen und der tiefen Überzeugung, dass nichts so bleiben muss, wie es war und ist.

Schön, dass ihr durchgehalten und mitgelesen habt.

DANKE!

10 Kommentare:

  1. Da treibt es mir die Tränen in die Augen. Du hast so recht, mit deinem Kommentar ich stimme dir da 100%ig zu. Hoffentlich ändert sich e n d l i c h dieses Verhalten der Menschen zugunsten unserer Tiere.
    Diese riesigen Schiffe beladen mit Tieren, ohne Futter, Wasser eingepfercht, ich mag und kann mir das wahrscheinlich gar nicht vorstellen. Dreht doch endlich diesen Wahnsinn ab..

    Lg. Elisabeth

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    1. Es ist einfach unerträglich... Danke für deine Worte, Elisabeth!
      Alles Liebe...

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  2. Ich könnte echt heulen bei all dem Elend, das Tiere durchmachen müssen, nur damit ihr Fleisch um 3 Euro pro Kilo angeboten werden kann. Danke für deine Infos! Sie sind so wichtig.

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  3. Liebes Mädel vom Land, ein riesengroßes D A N K E für diese klaren Worte! Deinen Text empfinde ich als Quintessenz dessen, was zum Thema Nahrungsmittel aus oder von Tieren gesagt bzw. bedacht werden muss! Liebe Grüße von Irmi E.

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  4. ja, und das Fleisch liegt dann noch im Restmüll bzw. im Kompostmüll - meist noch in der Verpackung.
    Liebe Grüße
    Braunelle

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  5. Ich habe Tränen in den Augen...wie immer bei diesem Thema... du hast sowas von Recht. Danke für deine klaren Worte!










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  6. Ich bin immer wieder entsetzt, wie verroht mit unseren Tieren umgegangen wird, absolut nicht nachvollziehbar. Danke, dass du dieses Thema angesprochen hast, es drückt mir das Herz ab.
    Ganz liebe Grüße
    Sigrid

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  7. Vielen lieben Dank euch allen, dass ihr hier seid und eure Gedanken bei mir bleiben dürfen ... Es tut gut zu wissen, dass es so viele gibt, denen das Leid der Tiere zu Herzen geht ...

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Über Kommentare freue ich mich immer. Herzlichen Dank dafür!
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