Wenn euch diese Tage eine etwas seltsam wirkende Frau auffällt, die von Birke zu Birke schleicht, ihr Ohr an den Stamm legt, lauscht, den Kopf schüttelt, weiter läuft, die nächste Birke umarmt, kurz inne hält, nachdenkt, undsoweiterundsofort: That’s me. Oder zumindest könnte ich es gewesen sein. Denn seit ich bei Markus Strauß gelesen habe, dass die Zeit für die Birkenwasserernte genau dann reif ist, wenn man das Rauschen durch den Stamm mit bloßem Ohr hören kann, versuche ich, den Klang dieses Strömens zu erhaschen – nur, es gelingt mir nicht. In der Birke ist es still. Oder ist es außerhalb der Birke einfach zu laut?
Nun, mein Papa ist da ja nicht sooo der sensible Typ. Er hat die Birke vor zwei Wochen einfach angezapft – ganz ohne auf sie zu hören. Gehört hat er auf mich, ich hab ihn darum gebeten und wenn das Töchterlein so lieb bittet, wird sowas natürlich umgehend erledigt… Danke Papa! ♥
Während der kalten Jahreszeit speichern die Birken Nährstoffe in ihren Wurzeln. Das tun sie, damit sie im Frühjahr, wenn sie aus ihrem Winterschlaf erwachen, so richtig durchstarten können. Dann beginnt das Wasser im Inneren des Baumes zu fließen und bringt die Nährstoffe von den Wurzeln über den Stamm in die Äste – der beste Zeitpunkt, um Birkenwasser zu zapfen (also noch bevor der Baum anfängt, seine Blätter zu schieben!).
Birkenwasser wird gerne als Superfood beschrieben, als Energy Drink aus der Natur – weil es einiges an Mineralstoffen enthält, daneben auch Vitamin C, Antioxidantien und Kohlenhydrate, die für den leicht süßlichen Geschmack sorgen. Es soll beim Detoxen helfen, gegen Frühjahrsmüdigkeit, Cellulite oder Sommersprossen …
Wissenschaftlich betrachtet gibt es dafür kaum Belege, was mich jedoch nicht davon abhält, die Birkentankstelle im Garten zu nutzen. Schließlich hat das Getränk eine lange Tradition in nordischen Ländern und: Meine Kinder sind riesengroße Birkenwasser-Fans! Weil es einfach dermaßen cool ist, das Wasser von Bäumen zu trinken. Sie lieben den frischen, zart süßlichen Geschmack und die Technik dahinter – schlicht die Möglichkeit, dass das überhaupt geht! Einen Baum anzapfen, wuuu! (Das Minimädel spült auch ihre Haare damit und sie werden wunderbar weich und seidig.)
Aufbewahren sollte man Birkenwasser im Kühlschrank (oder überhaupt portionsweise im Tiefkühler), weil es relativ rasch zu fermentieren beginnt und einen leicht säuerlichen Geschmack entwickelt (auch dann lässt es sich übrigens noch trinken!). Da dachte ich mir: Diese Eigenschaft könnte man doch auch nutzen? Zum Beispiel, um einen richtig krassen, völlig neuartigen Sauerteig anzusetzen? In meinem Kopf war Birki geboren, wild fermentierend, ungestüm schäumend, mit einer noch nie dagewesenen Aktivität. Ach, Birki!
Nun, hm. Im Nachhinein stellt sich heraus: Birki ist wie jeder andere Sauerteig. Mal gut gelaunt, mal schlecht. Keine überraschenden Extra-Eigenschaften, keine unverwechselbaren Charakterzüge. Das kann man schade finden - oder auch beruhigend. Mir jedenfalls bleibt trotz allem das Gefühl, einem ganz besonderen Naturburschen auf die Welt geholfen zu haben.
Sauerteig mit Birkenwasser
Beim Ansetzen von Sauerteig halte ich mich gerne an die sehr unkomplizierte Herangehensweise von Martin Pöt Stoldt, dessen tolles Buch Der Sauerteig – das unbekannte Wesen einen Ehrenplatz in meiner Sammlung hat.
1. Martin verrührt eine Handvoll (etwa 100 g) Roggen-, Dinkel- oder Weizenmehl mit so viel lauwarmem Wasser, bis ein Brei entsteht, dessen Konsistenz ähnlich einem dickeren Waffelteig ist.
2. Er deckt ihn ab (nicht luftdicht!) und lässt ihn warm stehen.
3. Alle 12 Stunden rührt er ihn ordentlich durch und lässt ihm dann wieder seine Ruhe.
4. Einmal am Tag gibt er eine weitere Handvoll Mehl dazu und so viel lauwarmes Wasser, bis die Konsistenz wieder passt.
5. Das wiederholt er vier bis fünf Tage.
In dieser Zeit passiert zunächst nicht viel, dann wird der Teig zu gären beginnen und mehr oder weniger blubbernd aufgehen, wieder zusammenfallen und schließlich sauer werden, was man gut riechen kann. Nach einigen Tagen setzt auch die Verhefung ein, ein Prozess, den man ebenfalls teils intensiv riecht. Aber keine Sorge! Im Normalfall hat sich das Gefüge an Mikroorganismen bald geordnet, der unangenehme Geruch verschwindet und weicht einem frischen, säuerlichen und fruchtigen Duft. Der Sauerteig ist fertig.
Für meinen Birki habe ich Roggenmehl Type 960 und zimmerwarmes Birkenwasser verwendet.
Birki-Brot - Einfaches Sauerteigbrot nach Pöt
So, und was jetzt tun mit so viel Birki? Auch dafür hat Martin Pöt Stoldt eine Lösung – Brot backen!
Zutaten für 1 Brot
500 g vom frischen Sauerteig
500 g Weizen- oder Roggenmehl (ich habe Roggenmehl Type 960 verwendet)
1 gestrichener EL Salz
¼ Würfel Hefe (10 g), wenn keine 4 Stunden Zeit zum Warten sind (es geht aber auch gut ohne)
200 ml lauwarmes Wasser (ich habe Birkenwasser verwendet)
1. Alle Teigzutaten mischen - bei Weizenmehl einige Minuten lang gut durchkneten, bei Roggenmehl nur solange verkneten, bis keine Mehlnester mehr sichtbar sind.
2. Vorsichtig eine Kugel formen und den Teigling auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech geben. Mit einem Küchentuch locker abdecken und an einer warmen Stelle gehen lassen. Bei Verwendung von zusätzlicher Hefe: eine Stunde. Ohne Hefe: solange, bis das Volumen sich deutlich vergrößert hat. Das kann 3 – 4 Stunden dauern.
3. Den Backofen rechtzeitig auf 220 °C Ober-/Unterhitze vorheizen, dabei ein tiefes Backblech (unterste Schiene) mit vorheizen.
4. Das Brot etwa 2 cm tief einschneiden und in den heißen Ofen schieben. Eine halbe Tasse Wasser in das heiße Backblech schütten (Vorsicht, heiß!) und die Backofentür so schnell wie möglich schließen. Der Dampf sorgt für einen guten Ofentrieb.
5. Nach 15 Minuten die Backofentür einmal weit öffnen, um den Dampf anzulassen. Die Temperatur auf 180 °C zurückdrehen und das Brot weitere 35 – 45 Minuten backen (Backzeit gesamt 50 – 60 Minuten).
6. Das Brot aus dem Ofen nehmen und auf einem Rost abkühlen lassen. Roggenbrot erst am nächsten Tag anschneiden.
Der übrig gebliebene Sauerteig kommt in einem gut ausgespülten, sauberen Schraubglas in den Kühlschrank. Dort wartet er auf seinen nächsten Einsatz.
Liebe Maria,
AntwortenLöschendeinen Post zu lesen, war mal wieder super spannend. Darauf bin ich noch nie gekommen, eine Birke anzuzapfen und dann als Krönung auch noch einen Sauerteig herzustellen und ein leckeres Brot zu backen. Danke für deine immer wieder schönen Anregungen aus der Natur.
Sei herzlichst gegrüßt
Sigrid
Liebe Sigrid,
Löschenich freu mich immer, wenn es Dinge gibt, die anderen Aahhhs und Oohhhs entlocken, weil sie ihnen noch unbekannt waren! Probiers doch einmal aus im nächsten Jahr, falls du eine passende Birke hast, die du anzapfen kannst und darfst :-)
Alles Liebe!