Also das ist mir auch noch nie passiert. Jetzt wollte ich anheben zu einer Schimpftirade über die Ignoranz der Wirte hier am Land, über ihren Unwillen, vegetarische Gerichte anzubieten, die über frittierte Gemüselaibchen hinausgehen – und dann das! Aber alles der Reihe nach.
Ich müsste ja eigentlich zufrieden sein. Zufrieden, weil ich 2022 nicht mehr auf den Beilagenteller angewiesen bin. Als Vegetarierin habe ich nämlich mittlerweile im Wirtshaus eine Alternative: Gemüselaibchen. Und liebe Leute: nichts gegen Gemüselaibchen. Oder Käsespätzle, wenn ich ganz grandioses Glück habe. Aber echt immer nur das? Och Mann.
Aber dann: Verabredung zum Essen mit Schwägerin und Schwager – im Nachbarort. Beim Dorfwirt. Erwartungen runter geschraubt. Runter bis zu den Gemüselaibchen. Sind ja eh gut. Ich mag sie. Ich bin zufrieden.
Die Karte wird uns gebracht vom überaus freundlichen Personal. Ich schlage sie auf – und traue meinen Augen nicht: Keine Gemüselaibchen, dafür zwei kreative vegetarische und ZWEI VEGANE Hauptgerichte, die mich allesamt anlachen als wäre Muttertag. Meine Wahl fiel auf den veganen faschierten Braten mit Tomatensauce und Petersilkartoffeln, als Dessert: veganer Schokotaler mit Mangoragout und Himbeersorbet. Alles hausgemacht und absolut köstlich. Ich war nicht zufrieden, ich war glücklich, dort drüben beim Dorfwirt.
Der Dorfwirt hat seine Speisekarte mit jeder Menge Kreativität erstellt und ich habe das Gefühl, seine Mühen lohnen sich – derzeit ist er in aller Munde, ganz sprichwörtlich, und ich kenne niemanden, der nicht gerne hingeht.
Oft höre ich das Argument: Die Leute wollen im Wirtshaus keine Experimente. Sie wollen Schnitzerl, Schweinsbraten und Berner Würstel. Kann ja sein – aber Zukunftsorientierung und Tradition schließen sich in meinen Augen nicht aus. Es geht allein ums Angebot - denn wenn ich keine Alternativen auf der Speisekarte habe, kann ich auch nicht danach greifen.
Übrigens gibt es sehr interessante Studien dazu: Wenn das vegetarische oder vegane Gericht zum Einsermenü wird, wird es auch tendenziell öfter bestellt. Allein die Gestaltung der Speisekarte kann also den CO2-Fußabdruck eines Gastronomiebetriebes deutlich verringern! Nudging heißt das, also das Anstupsen zu einem bestimmten Verhalten bei gleichzeitig völliger Transparenz und Erhalt der Wahlfreiheit. Es kann dabei helfen, unser weitgehend impulsgesteuertes und gewohnheitsmäßiges Verhalten in Sachen Ernährung in Richtung Nachhaltigkeit und Gesundheit zu ändern. Wird beispielsweise bei einer Konferenzeinladung die Standardeinstellung Buffet mit Fleisch in Vegetarisches Buffet geändert, muss also das Buffet mit Fleisch extra bestellt werden und nicht umgekehrt, entscheiden sich einem Experiment in Kopenhagen zufolge 87% (!) für das fleischlose Essen. Verblüffend, oder?
Kohlrabi-Schnitzerl
Ein vegetarischer Klassiker, diese Schnitzerl aus Kohlrabi. Man könnte die Kohlrabischeiben auch vorkochen, ich schneide sie aber lieber dünner und verwende sie roh – das ist einfach Geschmackssache.
Zutaten für 4 Portionen
2 Kohlrabi
Mehl
2 Eier
Semmelbrösel
Salz
Öl oder Butterschmalz zum Ausbacken
1. Kohlrabi schälen und in 0,5 cm dicke Scheiben schneiden.
2. Die Eier in einem Suppenteller mit einer Gabel verschlagen und salzen. Zwei weitere Suppenteller mit Mehl und Semmelbröseln herrichten.
3. Die Kohlrabischeiben erst durch Mehl, dann durch Ei und zum Schluss durch die Semmelbrösel ziehen.
4. In nicht zu wenig Öl oder Butterschmalz ausbacken und auf Küchenkrepp abtropfen lassen.
5. Serviert habe ich meine Kohlrabi-Schnitzerl mit neuen Kartoffeln, die ich zuerst gedämpft und dann ungeschält in Butter angebraten habe. Dazu grüne Kräuterbutter (weiche Butter mit Kräutern pürieren), Zitronenspalten, frische Kräuter und Salat.
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Köstlich, frisch und regional. Gerade im Mühl- und Waldviertel findet man Schmankerl Wirte.
AntwortenLöschenLg aus Wien
Das stimmt, immer mehr! :-)
LöschenAlles Liebe nach Wien!
Gleich nachgekocht heute - köstliches Sommeressen :-) Danke für die Anregung!
AntwortenLöschenLiebe Grüße von Irmi E.
PS: der Ort, wo die Speisekarte des Dorfwirts so himmlisch ist, würd mich auch interessieren - falls ich da mal im Mühlviertel vorbeikäme ...
Liebe Irmi!
LöschenUh, das freut mich, dass du gleich den Kochlöffel geschwungen hast :-)
Unbedingt vorbei schauen musst du also beim Dorfwirt in RECHBERG.
Alles Liebe!
Hallo Maria,
AntwortenLöschenhach ja... Ich denke immer, die österreichischen Wirte sind da weiter als hier bei mir um die Ecke in Franken. Da "will man sonntags nur Braten und keine Experimente"... Tja, ab und zu gibt's doch kreative Küche und ich war in letzter Zeit auch ein paar Mal echt begeistert davon, nicht Fleisch essen zu müssen ("Bunter Salatteller" ist hier oft die vegetarische Alternative) sondern eine Wahl zu haben. Ich glaube, langsam geht's in die richtige Richtung.
Liebe Grüße
Barbara
Ja, langsam aber sicher ... das Gefühl hab ich auch :-) Alles Liebe zu dir!
LöschenWie du schreibst, wenn Vegetarisches zum Einsermenü wird, bekommt es Aufmerksamkeit und wird als gut und "richtig" befunden. Genauso ist es, finde ich, mit dem Gendern, je öfter die weibliche Form verwendet wird, desto eher wird sie irgendwann als "normal" und "richtig" erachtet.
AntwortenLöschenSo herrliche (frauliche??) Kohlrabischnitzerl hatten wir auch kürzlich, aber ich gare sie vor, ist sicherer...
lg
Du hast völlig recht! Der Mensch ist das vielzitierte Gewohnheitstier ...
LöschenGerade heute ist mir Plakatwerbung von Burger King ins Auge gesprungen ... "Normal oder mit Fleisch?" - Plant-based wird da als "das neue Normal" bezeichnet: Find ich provokant, aber genau deshalb ziemlich gut :-)
Alles Liebe!